Abstracts zur Parallelsitzung 1.3:
Krankheitsspezifisches ACP
Moderation: Prof. Dr. Carola Seifart, UKGM Philipps-Universität Marburg
Advance Care Planning (ACP) bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD): Zwischenergebnisse eines patienten-orientierten Forschungsprojekts Dr. sc. med., M.A. Tatjana Weidmann-Hügle, Kantonsspital Baselland, Liesta, Schweiz Hintergrund: Wenig ist bekannt über die Bedürfnisse von COPD-Betroffenen im Zusammenhang mit ACP und wie ein etabliertes ACP-Konzept von COPD-Betroffenen und ihren Nahestehenden erlebt wird. Fragestellung: Das Forschungsprojekt besteht aus zwei Teilen: 1) Interventionsteil: ACP-Gespräche mit COPD-Betroffenen und ihren gesetzlichen Vertretungspersonen (= Gesprächsteilnehmer) mit ausgebildeten Beraterinnen (nach dem Modell von ACP Swiss) und 2) Forschungsteil, der die Intervention mit einem Mixed-Methods-Ansatz evaluiert. Methoden: In der formativen Evaluation werden die Gesprächsteilnehmer dazu befragt, wie sie das Beratungsgespräch erlebt haben. Die summative Evaluation verwendet Fragebögen zur Selbsteinschätzung im Hinblick auf Vorbereitet-Sein/Zuversicht für zukünftige medizinische Entscheidungen. Zudem werden Wirksamkeit und Auswirkungen der ACP-Beratung in semi-strukturierten Interviews erfasst. Die Datenanalyse erfolgt mittels inhaltsanalytischer Methoden. Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass die Gesprächsteilnehmer kaum auf Notfallsituationen vorbereitet sind und wenig Wissen bzgl. der medizinischen Entscheidungslogik haben. In den Gesprächen nehmen emotionale Aspekte und die Belastung durch die unheilbare Krankheit viel Raum ein. Schlussfolgerung: COPD-Betroffene sind zufrieden mit ACP, das sie allerdings als emotional belastend erleben. ACP-Gesprächsbegleiter benötigen spezifische Kompetenzen, um adäquat auf Emotionen der Betroffenen eingehen zu können. | |
Amyotrophe Lateralsklerose – Patientenverfügungen und mehr: Empfehlungen für die Praxis auf Basis einer Metaanalyse Anne Lisa Mangal, Klinik für Palliativmedizin der Uniklinik RWTH Aachen Hintergrund: ALS ist eine neurodegenerative Erkrankung, die mit einer weiteren Lebenserwartung von 2-4 Jahren einhergeht. Betroffene erleiden Lähmungen mit Dysphagie und Versagen der Atmung. Individuelles ACP spielt eine besondere Rolle Fragestellung: Ziel ist es, den Einsatz von Patientenverfügungen bei ALS Patienten im internationalen Vergleich darzustellen, Präferenzen bei der Vorsorgeplanung zu ermitteln und Empfehlungen zur Verbesserung der Patientenversorgung abzuleiten Methoden: 5 elektronische Datenbanken wurden nach qualitativer und quantitativer Primärliteratur durchsucht. Über Querverweise konnten weitere Arbeiten identifiziert werden. Die Auswahl anhand der Einschlusskriterien erfolgte durch die Erst-und Zweitautorin Ergebnisse: Aus 1030 initialen Treffern konnten 24 Studien für die abschließende Analyse berücksichtigt werden. Es ist eine Zunahme an Publikationen von 1999-2022 zu verzeichnen. Die Ergebnisse in Bezug auf Einsatz und Inhalt von Patientenverfügungen sind heterogen. Internationale Unterschiede können angedeutet werden. Eine Veränderung der Beatmungsfrequenz oder eine Zunahme des ACP seit 1999 konnte nicht festgestellt werden Schlussfolgerung: Weitere prospektive Studien zum Einsatz von ACP bei ALS sind notwendig. Der Prozess der Vorsorgeplanung ist komplex und individuelle Bedürfnisse der Patienten in Bezug auf Zeitpunkt und Ausmaß sollten berücksichtigt werden. Krankheitsspezifische Vorsorgedokumente sollten häufiger zum Einsatz kommen. | |
ACP und mental health Cand. med. Jannika Kraft, Universität Duisburg-Essen Hintergrund: Onkologische Patienten (Pt) mit Patientenverfügen (PV) verzeichnen am Lebensende eine höhere Lebensqualität. Damit medizinisches Fachpersonal die Pt konstruktiv beraten kann, ist es richtig einen günstigen Zeitpunkt für das Gespräch abzupassen. In mehreren Studien gab es Anhaltspunkte, dass psychische Stabilität die Einstellung zur PV beeinflusst. Fragestellung: Gibt es eine Korrelation zwischen dem psychologische Belastungslevel und der Bereitwilligkeit von onkologischen Pt eine PV zu erstellen? Methoden: Es handelt sich um eine klinisch prospektive Studie. Seit Mai 2023 wurden 49 Pt im ambulanten Setting befragt (Ziel n=150). Es erfolgt die Deskription und Korrelationsanalyse der Einstellung zur PV (ADAS) und Thermometer.des psychologischen Zustandes, gemessen an den Screening-Scores PHQ9, GAD7 und dem Distress Ergebnisse: Von 49 Antworten mussten 10 wegen unvollständigen Antworten ausgeschlossen werden; ein weiterer wegen Unkenntnis über das Konzept einer PV. Bei n=38 konnten keine signifikanten Ergebnisse erzielt werden. Die Einstellung zur PV war hierbei positiv (Mittelwert ADAS 50,6).Die Korrelationsanalyse erfolgt nach Erreichen der kalkulierten Fallzahl. Schlussfolgerung: Zum jetzigen Zeitpunkt der Auswertung kann noch kein signifikanter Zusammenhang dargestellt werden, was an der noch zu niedrigen Fallzahl liegen könnte. Weitere Ergebnisse mit höherer Fallzahl werden beim Kongress vorgestellt. | |
Erfahrungen mit ACP in einer Palliativklinik Dr. Karla Steinberger, LMU Klinikums München Hintergrund: In der Palliativ-Ambulanz der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin des LMU Klinikums München bieten zertifizierte ACP-Gesprächsbegleiter:innen verschiedener Professionen ACP-Gespräche an. Fragestellung: Wie häufig und von wem wird das Angebot angenommen und wie lassen sich die Gesprächsprozesse formal (wer nimmt teil, Anzahl und Dauer der Gespräche) und inhaltlich (Lebenserwartung und Festlegungen der Patienten) beschreiben? Kommt es zu Aktualisierungen im zeitlichen Verlauf, und welche Rückmeldungen erhält die Klinik über die klinische Wirksamkeit dieser Verfügungen? Methode: Analyse der in den letzten 12 Monaten durchgeführten ACP-Gesprächsprozesse. Ergebnisse: In den letzten 12 Monaten wurden (von jährlich ca. 220 gesehenen Patient:innen) in 26 Fällen ACP-Gespräche durchgeführt. In 23 dieser Fälle wurde der ACP-Gesprächsprozess abgeschlossen und in der Folge eine schriftliche Vorausplanung nach den Standards der ACP Deutschland erstellt. Diese abgeschlossenen Gesprächsprozesse umfassten im Mittel rund zwei Gesprächskontakte und dauerten im Mittel 70 Minuten. Die Lebenserwartung der beteiligten Patienten wurde nicht formal erfasst; es wurde geschätzt, dass die Lebenserwartung in einem Drittel der Fälle 0 bis 3 Monate, in einem weiteren Drittel 4 bis 6 Monate und im verbleibenden Drittel mehr als 6 Monate betrug. In allen Fällen waren die vorausplanenden Patient:innen selbst einwilligungsfähig, in 4 Fällen nahm mindestens ein Angehöriger an dem ersten Gespräch teil. Für den Fall einer aus dem aktuellen Zustand heraus auftretenden lebensbedrohlichen Komplikation wurden in 18/23 schriftlichen Dokumentationen (Festlegungen für den Notfall) ein strikt palliatives Therapieziel oder eine auf die häusliche Versorgung begrenzte Lebenserhaltung gewählt; umgekehrt fand sich in 3 Fällen die Zustimmung zu künstlicher Beatmung und/oder Reanimation. Aus den Erfahrungen und Erkenntnissen, welche die inhaltliche Rückschau auf die durchgeführten Gespräche erlauben, sollen hier drei herausragende Themen ausgewählt werden: 1. Anfängliche Annahmen der Patienten änderten sich im Gesprächsverlauf 2. Vorausplanung bei erkennbarer Verdrängung einer schlechten Prognose, die aus medizinischer Sicht den Versuch einer lebenserhaltenden Therapie nicht mehr erlaubt 3. Erleichterung durch Klarheit Schlussfolgerung: Das Angebot, ACP-Gespräche zu führen, hat sich zu einem bewährten Angebot einer universitären Palliativambulanz entwickelt. Nicht wenige dieser Patient:innen entscheiden sich im Rahmen dieser Gespräche hinsichtlich einer möglichen künftigen lebensbedrohlichen Krise für ein Vorgehen mit dem Ziel der Lebenserhaltung, schließen dabei jedoch besonders invasive Behandlungsoptionen aus. |